Auf einmal ging alles ganz schnell. Mein Rucksack, der zwar schon seit Wochen rudimentär gepackt war, entbehrte noch immer irgendetwas. Dann schrieb ich die letzte Mail, blickte noch einmal auf die handgeschriebene Liste und stellte fest, dass ich noch immer nicht alles erledigt hatte, bevor ich endlich abreisen wollte. Einmal alle Aufgaben und Projekte zu Ende zu stellen bevor ein neuer Abschnitt beginnt, bleibt wohl für immer meine Illusion. Den idealen Abreisetag gibt es nicht, man muss einfach losfahren. Wochen-, ja fast monatelang habe ich diese Abreise geplant. Seit meiner Diplomprüfung Ende April hatte ich mich intensiver um meine bevorstehende Reise gekümmert. Neben einer vernünftigen Reise- und Fahrplanung, stellte ich mir die Frage, was ich überhaupt mitnehmen möchte oder: wie ich mein Leben auf 50 Liter reduzieren könne. Ohne Globetrotter wäre das wohl schwieriger geworden. So konnte ich das Gewicht einiger Utensilien wie Schlafsack oder Handtuch deutlich reduzieren. In erster Linie hieß es aber, auf fast alles zu verzichten. Mein Wunschgewicht von 12 kg konnte ich leider nicht ganz einhalten. Ich bin gespannt, wie ich mit vier T-Shirts, fünf Unterhosen, ebenso wenig Paar Socken und zwei Pullovern ein halbes Jahr auskommen werde.Der Beginn meiner Reise startete selbstverständlich schienengebunden, mit der Straßenbahnlinie 4 ab der heimischen Haltestelle Wasserwerk Tolkewitz. Mit der Buslinie 63 ging es weiter übers Blaue Wunder am schönen Elbhang entlang bis nach Graupa und Pirna, stieg in die S-Bahn nach Bad Schandau und wartete auf den Eurocity nach Prag.

Hätte mich auf dem Dorf jemand gefragt, wohin ich denn schwerbeladen fahre, hätte ich die Antwort wohl selbst kaum geglaubt. „Der Weg ist bekanntlich das Ziel“ und schon bald verließ ich das schöne sächsische Elbtal in Richtung Slowakei. Denn morgen früh wollte ich in Košice sein. Nach einem längeren Aufenthalt in Prag ging es um zehn Uhr abends mit dem Nachtzug in die Slowakei. Das Schlafwagenabteil teilte ich mir mit Andreas aus Pirna, der zur Hohen Tatra fuhr. Da er mir von diesem Hochgebirge abends derart vorschwärmte und am nächsten Morgen herrlicher Sonnenschein war, stieg ich kurzerhand mit aus und verzichtete auf die anderthalb Stunden zusätzlichen Schlaf.
Leider hatte ich dort soeben den Zug ins Gebirge verpasst, sodass ich eine Stunde später Richtung Tatranská Lomnica mit meterspurigen Gelenktriebwagen fuhr. Dort gibt es eine Kaskade von Seilbahnen, die bis auf den 2634 m hohen Berg Lomnicki stit in der Osttatra führen. Nach kurzem Überlegen ließ ich mich dann auf den etwas kostspieligen Spaß ein und hatte einen herrlichen Blick auf das kleineste Hochgebirge Europas, das sich auf die Nordost-Slowakei und Südpolen erstreckt.


Am Nachmittag fuhr ich wieder hinab und weiter nach Košice. Leider hatte ich den slowakischen Abfahrtsplan nur flüchtig gelesen, als auf einmal der private Fernverkehrszug LEO-Express in den Bahnhof einfuhr und mir die Schaffnerin meinen Fahrschein der Tschechischen Staatsbahn als ungültig attestierte, inklusive dem Umziehen durch den halben Zug bis endlich ein nichtreservierter Platz frei war. „Bahnfahren war auch schon mal einfacher“, entgegnete ich den Mitreisenden im Abteil, welche immerhin ein mitleidiges Lächeln übrig hatten.
In Košice blieb noch Zeit für einen kleinen Stadtrundgang in der schönen Altstadt aus K.u.K.-Zeiten. Schnell gab es noch ein großes Achtel frisch gebackener Pizza für 50 Cent auf die Hand. Die Lebenskosten sind in der Slowakei wirklich gering. Das passte mir auch gut ins Tagesbudget, das ohnehin schon durch die Seilbahnfahrten strapaziert war.

Bis auf das lebendige Zentrum war in der Stadt zumindest aus verkehrlicher Sicht schwermäßig nichts los. Der komplette Straßenbahn- und Trolleybusbetrieb wurde über den Sommer eingestellt, da derzeit sämtliche Gleise und Infrastruktur in der Stadt in einem Großprojekt großflächig erneuert werden. Grund genug, noch mal zu einem späteren Zeitpunkt in die landschaftlich schöne Ostslowakeizu fahren. So entschied ich mich, am nächsten Tag in das 50 km weiter nördliche Prešov zu fahren. Die 80.000 Einwohner zählende Stadt könnte auch Klein-Košice heißen, da es einen ähnlich langgezogenen netten Altstadtkern mit durchgehender, verkehrsberuhigter Straße hat, in der nur der Trolleybus fährt. Hier scheint man dem osteuropäischen, und wohl so manchem deutschen Zeitgeist voraus zu eilen.

Im Hostel in Košice traf ich dann auf meine erste Hostelbekanntschaft Klaus, ein Österreicher, mit dem ich nachher noch um die Häuser zog.
Der Einstieg in meine Asienreise verlief kurzweiliger als gedacht, sodass kaum Zeit blieb die Reiseerinnerungen festzuhalten. Noch immer kann ich mir nicht vorstellen, dass meine Reise nach Sri Lanka begonnen hat, noch verdeckt ein Schleier von Planung und Zeitdruck der letzten Wochen meinen Blick auf das, was kommen mag. Heute Mittag geht es jedenfalls erst einmal weiter in die Ukraine.

Martin – Respekt.
Ich finde das megacool und hoffe, dass Dir das Vorgenommene gelingt, und zwar gemütlich und nach Deinen Vorstellungen, möglichst ohne Stress 🙂
Ich bin sehr gespannt, was Du alles erlebst und freue mich, das zu verfolgen.
Drum – viel Vergnügen und hoffentlich wenige bürokratische Machtspielchen, welche Dir das Reisen schwermachen wollen….
Gruss Johannes
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Hallo Martin,
schön, von dir zu lesen. Ich hoffe, ich schaffe es oft, deinen Blog zu lesen und bin gespannt, was du schreibst. Noch bis du nicht weit gekommen und schon wecken deine Einträge auch bei mir das Fernweh. Aber ich habe mir fest vorgenommen, mich demnächst um meine Diplomarbeit zu kümmern und im Wintersemester muss ich sowieso in Dresden sein, da ich ja wöchentlich eine Ringvorlesung zu betreuen habe.
Dir also gute Reise!
Gruß, Gregor
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Auch für den Leser (oder zumindest für mich) ist es unwirklich, dass du noch so viel vor dir hast, und gleichzeitig auf dem Weg so viel mitnimmst (Abstecher wie spontante Gebirgstour). Das ist für mich irgendwie eine vollkommen neue Idee vom Reisen (für mich ist war bisher das Ziel das Ziel, dort kann man immernoch einen Weg zu einem lokalen Ziel finden).
In jedem Fall wünsche ich dir eine gute Zeit und nette Weggefährten! 🙂
Viele Grüße aus der Coni-WG auch von Lisa!
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