Willkommen in Transnistrien

Wo ist eigentlich Gleis 10? Fünfzehn Minuten vor Abfahrt meines Zuges stand ich ratlos auf dem Querbahnsteig von Odessa. Der Kopfbahnhof hat neun, fein nummerierte Gleise. Ausgerechnet das zehnte, auf dem mein Zug nach Moldawien abfahren sollte, gab es nicht. Hektisch fragte ich andere Reisende auf gebrochenem Russisch nach meinem Zug, da ich einen längeren Weg bis dahin vermutete. Eine Schaffnerin verstand schließlich mein Problem und zeigte mir den Weg: einige hundert Meter weiter außerhalb stand der Dreiwagenzug schon bereitgestellt. Hinter mir kam noch ein anderer Rucksacktouri angerannt, der es auch gerade noch so geschafft hatte. Die Mitfahrt im Sitzwagen der moldawischen Staatsbahn mit hölzernen Sitzbänken und Gardinen war es die Reise schon wert. Jeder Wagen hatte einen eigenen Schaffner, Personal kostet hier ja nichts. Dieser, bisher spannendste Zuglauf auf meiner Reise, fährt täglich von Odessa in die moldawische Hauptstadt Chişinău und durchquert dabei die von Moldawien abgespaltete, autonome Region Transnistrien. Man befährt also ein nicht anerkanntes Territorium mit ordentlichen Grenzkontrollen. Entgegen wüster Behauptungen im Internet stellt es heute aber kein Problem dar, von der Ukraine nach Moldawien zu fahren. Transnistrien jedoch ohne Halt zu queren, erschien mir zu profan, wollte ich mir diese Ecke doch mal genauer ansehen. Also löste ich meine Fahrkarte nur bis Tiraspol, der ersten größeren Stadt hinter der ukrainischen Grenze. Weiterlesen „Willkommen in Transnistrien“

Werbung

Odessas Babuschkas

Odessa, 7 Uhr morgens. Der Bahnsteig war schwarz vor Leuten und Koffern als sich die fünfzehn Wagen meines Nachtzugs aus Kiev entleerten. Diesmal ging ich direkt zum Hostel, das unweit vom Bahnhof gelegen war. Irgendeiner wird mir dort schon aufmachen. Das Eingangsschild an der hölzernen Pforte hielt was es versprach: eine ältere Dame hieß mich gleich mit einem freundlichen dobra utra willkommen. Das Babushka’s Grand Hostel wird tatsächlich von einem Rentnerehepaar betrieben. Der Name ist Programm, selbstlos stellen sie ihre große Gründerzeitwohnung im ersten Stock für Herbergssuchende zu Verfügung. Was auf den ersten Blick beschaulich klingt, hat aber ökonomische Gründe. Weiterlesen „Odessas Babuschkas“

Kiewer Hauptstadtgeflüster

Es ist 5:30 Uhr am Morgen als die Hauptstadt der Ukraine und ich gerade in einem unterschiedlichem Tempo erwachen. Mein Nachtzug war pünktlich in Kyiv Passagieri angekommen. Die Sonne scheint und wird wohl wieder einen heißen Tag bescheren. Ich wollt es langsam angehen, schließlich war es gerade mal sechs Uhr und zu früh, um in ein Hostel einzufallen. Also gab ich meinen Rucksack in einer der non-stop Gepäckaufbewahrungen in dem riesigen Bahnhof ab und setzte mich in eine Schnellimbisskette, um übers Internet die Bleibe für die nächsten zwei Nächte zu buchen. In der schönen, neuen Welt ist das ja wunderbar einfach. Dann hielt mich nichts mehr drinnen, ich war neugierig, wie die ukrainische Hauptstadt tickt. Weiterlesen „Kiewer Hauptstadtgeflüster“

Ukrainisches Debüt

Am vierten Tag sollte es schon in die Ukraine gehen. Um 12:04 Uhr ging es in gut zwei Stunden bis zum letzten slowakischen Ort Čierna nad Tisou nahe der ukrainischen Grenze. Dort schien die Zeit still zu stehen, ein Bahnhof wie er sozialistischer hätte nicht sein können. Bis auf die Einführung des Euro hatte der Bahnhof wohl in den letzten 30 Jahren nicht viel Neues gesehen. Weder ein Fahrplan, noch eine Ansage oder geschweige denn eine profane Bahnsteigbeschilderung wiesen auf meine Weiterfahrt hin. Da aber der letzte Wagen unseres 6-Wagen-Zuges auf das Nachbargleis rangiert und an einen Ein-Wagen-Zug gehängt wurde, wusste ich, dass dies mein Anschlusszug sein muss. Dieser bestand nämlich aus einem Erste-Klasse-Wagen der ehemals tschechoslowakischen Staatsbahn aus den tiefen Achtzigern und einem zusätzlichem blau-gelb lackierten Normalspurwagen der Ukrainischen Staatsbahn. Eine merkwürdige, aber sehr diplomatische Zuggarnitur, wie ich finde. Weiterlesen „Ukrainisches Debüt“