Da war ich schon in Istanbul. Zwei Wochen sind seit dem Beginn meiner Reise vergangen – Zeit also, vorsichtig ein erstes Fazit zu ziehen. In dieser kurzen, ersten Zeit konnte ich interessante Reisebekanntschaften knüpfen, habe in jedem Land mit Einheimischen Kontakt aufnehmen können und wurde um so manche Grenzerfahrung reicher. Das Gefühl des Alleinreisens, das mir zugegebenermaßen vor Beginn der Reise etwas Sorgen bereitet hat, wollte ich schon nach wenigen Tagen nicht mehr missen. Als Alleinreisender trifft man ständig und überall freundliche Menschen, auf der Straße oder im Hostel. Genau diese Reisebekanntschaften machen für mich den Reiz des Reisen aus, weil man aus jeder einzelnen Begegnung etwas mitnimmt. Da mich mein Freund Martin von nun an für die nächsten fünf Wochen begleitet, heißt es für mich erst einmal, meinen Reisestil umzustellen. Aber das gemeinsame Reisen zu zweit hat auch Vorteile: so wird man wiederum ganz anders wahrgenommen und kann sich vor allem austauschen.
Mit Überquerung des Bosporus habe ich Europa verlassen, jetzt gewinnt die Reise erst richtig an Fahrt. Nach einer sehr intensiven, erlebnisreichen Zeit durch die ersten sieben Länder Osteuropas, blieb vier Tage in Istanbul, bevor es weiter Richtung Asien gehen sollte. Der Besuch Istanbuls war aus mehrerlei Hinsicht ein Kulturschock. Die Stadt am Bosporus ist mit 15 Millionen Einwohnern im geografischen Sinne nicht nur die größte Stadt Europas, sondern auch ein gigantischer Verkehrsknotenpunkt zwischen Asien und Europa. Tanker, Frachtschiffe und Fähren kreuzen den Bosporus im Minutentakt. Auch der Individualverkehr ist schon ein ganzes Stück asiatischer: die Hupe ist hier elementarer Bestandteil eines Fahrzeugs. Beim Überqueren der Straße wird man als Fußgänger vom Autofahrer nur dann über die Straße gelassen, sowie man nicht stehen bleibt. Das öffentliche Verkehrsaufkommen zwischen Asien und Europa wurde bis vor Kurzem lediglich durch den Metrobüs über die Bosporusbrücke und zahlreiche Fähren befriedigt. Vor zwei Jahren wurde die unterirdische Metrolinie Marmaray eingeweiht, die beide Seiten im 3-Minutentakt in der Hauptverkehrszeit verbindet. Ich hatte allerdings nicht das Gefühl, dass damit irgendein anderer Verkehrsträger entlastet wird, Istanbul ist einfach riesiges Verkehrsloch. Der weitere Ausbau des Metronetzes und die zukünftige Durchbindung von Fernverkehrszügen von Asien nach Europa lassen es auch in Zukunft spannend bleiben.

Ausgerechnet hier hatte ich die bisher ruhigsten Tage meiner Reise. Die Stadt hat eine Menge beschauliche Plätze, die zum Hinsetzen und Beobachten des Chaos einladen. Bevor mein Freund Martin hier aus Berlin landen sollte, traf ich eine Freundin, die ich während meines Auslandsstudiums 2012 kennengelernt habe. Merve wohnt auf der asiatischen Seite der Stadt, auf der ich die ersten zwei Tage verbracht habe. Sie bat mich, die frequentierten Plätze zu meiden, da für dieses Wochenende mögliche Anschläge zu geplanten Demonstrationen bekannt wurden. Schlimm, dass die Terrorangst schon bis tief in die Türkei vorgedrungen ist. Wir ließen uns aber nicht beirren, wie sollte man hier dem Getümmel auch aus dem Weg gehen. Da Martin und ich Istanbul schon kennen, hatte ich keinen gesteigerten Erkundungsdrang wie ich ihn sonst in einer neuen Stadt habe – Türkisch für Fortgeschrittene. Stattdessen zeigte Merve mir neue Plätze entlang der Bosporusküste auf der asiatischen Seite. Nach Martins Ankunft verbrachte ich die nächsten Tage bei seiner türkischen Freundin Filiz auf der europäischen Seite. In dieser Stadt kann man problemlos eine Woche mit Spaziergängen, Fährfahrten oder Besuchen in Basaren und Teestuben verbringen.





Nicht nur der Verkehr hat hier andere Dimensionen, nein auch das öffentliche Leben ist anders als in Europa. Es fällt nicht schwer, sich bei der türkischen Herzlichkeit wohlzufühlen. Die türkische Kultur ist anders als wir sie durch die deutsche Brille wahrzunehmen glauben. Die Türkei, ein vielfältiges Land, das…
- Türkei, das Land der Freundlichkeit. Die Leute schauen nicht verbittert, sondern lächeln und bieten einem auf der Straße Hilfe an. Dabei muss man aufpassen, dass man sich nicht auf jedes Hello my friend einlässt, sonst landet man schnell auf einen Schwarztee im Hinterhof bei einem der freundlichen Lederjacken- oder Teppichhändler. Wahrscheinlich ist diese warme (Gast-)Freundlichkeit aber einfach der muslimischen Kultur zuzuschreiben.
- Türkei, das Land des Service. Hier wird Service noch groß geschrieben. Kundschaft und Gäste werden respektvoll und sehr freundlich behandelt. An Personal mangelt es in den Lokalen nicht, sodass einem alle Minuten etwas gebracht oder weggeräumt wird.
- Türkei, das Land der Teetrinker. Tee ist der Motor der Nation. Ständig und überall findet der Türke eine Gelegenheit, einen Çay zu trinken, oder zwei oder drei. An fast jeder Ecke findet man kleine Hocker, die einen perfekten Treffpunkt offerieren. Der Tee wird mit zwei Kannen, einem Schwarztee- und einem Heißwasserkocher zubereitet. Wo es keine Teeküche gibt, werden holzgefeuerte Teeöfen aufgebaut. Eigentlich genau mein Land, nur ist so ein winziges Teegläschen verglichen mit meinem Teekonsum viel zu schnell getrunken.
- Türkei, das Land der Straßenhändler. In keinem anderen Land habe ich bisher ein so florierenden Straßenhandel gesehen. Es wird nahezu alles angeboten was man sich nur vorstellen kann. Das Business variiert selbstverständlich je nach Tageszeit, tagsüber erhält man vorwiegend Wasserflaschen, Sesamringe, Parfums, Gurkenschäfer oder Saftpressen. Bei Einbruch der Dämmerung geht das Geschäft erst richtig los: dann werden einem auf der Straße Sonnenblumenkerne oder andere Snacks, frisch zubereitete Kebabs, Ballons, rote Rosen oder was auch immer angedreht.
- Türkei, ein Land der Fernbusse. Türken fahren Fernbus, womit wir uns hierzulande noch berechtigterweise schwer tun. Es gibt häufig verkehrende Direktverbindungen in fast jede Ecke dieses Landes. Wo keine Reisebusse mehr fahren, erschließen Minibusse scheinbar willkürlich die Orte. Nicht verwunderlich ist: das schienengebundene Fernverkehrsnetz dagegen nicht annähernd so gut erschlossen. Bis auf die Strecke Istanbul – Ankara verkehren Fernverkehrszüge nur ein- bis zweimal pro Tag.




Nach vier Tagen in der Megacity ging es wieder einmal ostwärts. Gerne wären wir noch etwas länger bei unseren lieben Freundinnen Merve und Filz geblieben, die sich viel Zeit für uns genommen hatten. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug Yüksek Hizli Tren fuhren wir in dreieinhalb Stunden nach Ankara. Noch befindet sich der Fernbahnhof 40 km vom Zentrum auf der asiatischen Seite, Kadiköy, entfernt, sodass wir über zwei Stunden gebracht haben, um von der europäischen Seite dorthin zu gelangen.

Die Hauptstadt Ankara wirkte auf uns nicht wie eine Stadt, in der fünf Millionen Einwohner leben. Das Zentrum schien eher kleinstädtisch und war schnell erkundet, vielleicht waren wir aber einfach nur von Istanbul geblendet. Das Abendessen gab es heute auf der Straße neben dem Basar. Verglichen mit Istanbul war vieles hier teilweise um die Hälfte günstiger, kein klassisches Hauptstadtphänomen. Danach verschlug es uns in den Hamam. Das türkische Bad wird nach Geschlechtern getrennt und wird neben dem klassischen Baden für Rasieren bzw. Epilieren genutzt. Dort verstand uns mal wieder Keiner auf Englisch, bis wir Werner aus Münster trafen, der mit seinen türkischen Kollegen nach Ankara zum „Geschäftemachen“ gekommen war. Er erklärte uns kurz die Abfolge wie ein Türke hier badet. Zuvor zieht man sich in der eigenen Kabine um und bindet sich ein längeres Tuch um die Hüfte. Nach einer kurzen Wäsche im Bad, betritt man die 120 Grad heiße Sauna, bis man vom Tellak, dem Masseur, abgeholt wird. In einem separaten Raum bekommt man gegen einen kleinen Aufpreis eine sogenannte Massage, die nichts anderes war als ein intensives Abreiben und Wässern am ganzen Körper. Der dickbäuchige Masseur tat aber sein Bestes und schrubbte meinen Körper mit seinem Baumwollsack so fest, dass sich meine oberste Hautschlicht löste. Nach dieser wohltuenden Pflege hat man freie Verfügung, um erneut zu sauen oder sich im kalten Wasserbecken zu erfrischen. Die 35 Lira, umgerechnet 11 Euro, waren es definitiv Wert: nach Stunden fühlten wir uns wie neu geboren! Hoffentlich begegnen wir auf dieser Reise och weiteren solcher Bäder.


Gut erholt ging es bereis am nächsten Morgen weiter mit dem Güney Espresi nach Kayseri in die Mitte des Landes. Dort wollten wir uns das landschaftlich reizvolle Kappadokien anschauen, bevor es weiter auf getrennten Wegen nach Georgien gehen sollte…
Oh wow!!!!! Finally I see Istanbul pages 🙂 It was a pleasure to meet and spend time with you. YOU are such a person that you connect with the culture and feel as if you were in your home country. That’s something amazing. I am glad to hear that you spent nice time in here, I knew it but seeing and reading here made me feel it more.. I wish you good luck for your upcoming time of your trip and you always know that Istanbul is waiting for you whenever you wanna come 😉 You are very welcome..
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